Keine Lust auf noch mehr Reden? Vertreiben Sie sich die Zeit mit browserbasierten Spielen, Desktop Movies oder experimentieren Sie mit künstlicher Intelligenz!
Arcade meets Gallery // „Online Museum of Multiplayer Art“ (oMoMA)
Gleichzeitig mit und gegen den Zeitgeist entwickelt die Pittsburgher Garagen-Galerie LikeLike seit Corona verschiedene Online-Angebote zwischen Museumsausstellung und 8-Bit-Arcade-Games. Mit einer charmant-comichaften Ästhetik eröffnet das „Online Museum of Multiplayer Art“ oder kurz: oMoMA eine simple Multiplayer-Experience, die – bewusst im 2D-Stil früherer Computerspiele gehalten – sich als Gegenentwurf zu den first person shooter-Perspektiven der Google Arts & Culture Museumstouren der letzten Monate verstehen lässt.
Nachdem Sie sich einen blockartigen Pixel-Avatar ausgewählt haben, können Sie das Museum betreten. Im Erdgeschoss befindet sich die LikeLike-Arcade mit kuratierten Retro-Games. Um das oMoMA zu betreten, klicken Sie auf eine der Türen oder steigen Sie die Treppen hoch. Jeder Ausstellungsraum ist konzeptuell auf Interaktion ausgerichtet. Sie sind aufgefordert – je nach Raum – Text einzugeben, der dann als Sprechblase Ihres Avatars erscheint. Dabei ergeben sich verschiedene Schwierigkeiten. Im Raum „cnsnnt rm“ können Sie zum Beispiel immer nur einen Vokal verwenden (wenn überhaupt). Und im VIP Raum wird alles, was Sie eingeben, phonetisch in elitär anmutende britische Redewendungen transformiert. Die Art und Weise, wie hier Text verwendet und manipuliert wird, unterstreicht die Funktion des digitalen Museums als eines sozialen Raumes. Im oMoMA können Sie nicht nur mit den Installationen und virtuellen Artefakten interagieren, sondern auch mit den anderen Besuchern.
Deep Down Tidal // Tabita Rezaire*
In ihrer essayistischen Videoarbeit „Deep Down Tidal“ beschäftigt sich Tabita Rezaire mit Fragen digitaler Gleichheit sowie mit Themen wie „electronic“ bzw. „digital colonialism“ und ihren Auswirkung auf Identität. Ihre Kritik an der westlich zentrierten Prägung des Internets fasst sie in digitalen Bilderwelten, für deren (post-)digitale Ästhetiken sie mitunter Elemente aus Afrofuturismus und Games nutzt, Bearbeitungsverfahren wie Remix oder Composing einsetzt. Auf diese Weise entsteht ein eindringliches, gleichermaßen auf der eigenen Erfahrung wie auf historischer Recherche und Analyse gegründetes, Bild der digitalen Welt. Mal leicht, mal eindringlich, oft aber befremdlich oszilliert „Deep Down Tidal“ somit zwischen spielerischer Beobachtung und (visuellen) Metaphern, zwischen fragender Bearbeitung und Appell.
Judging Your Face Online // How Normal Am I?*
Automatisierte Überwachungsmechanismen und Deep Learning-Systeme gehören zu den Dingen, von deren Omnipräsenz wir zwar wissen, sie in der Umwelt aber nur selten wahrnehmen. In diesem Zusammenhang stellt sich, davon zeugt ja auch das Thema dieser Tagung, nicht nur die Frage, ob wir längst in einer von Gilles Deleuze beschriebenen Kontrollgesellschaft angekommen sind, sondern zunehmend auch die Frage, welche Prozesse wir in unserem alltäglichen „Onlife“ trainieren, sodass sie uns in Zukunft „besser“ (be-)urteilen.
Das Kunstprojekt „How Normal am I?“ von Tijmen Schep beschäftigt sich damit, wie algorithmische Gesichtserkennung zunehmend dazu verwendet wird, uns, die User:innen, zu evaluieren. Das Projekt ist Teil des SHERPA Forschungsprogramms der Europäischen Union. Bitte beachten Sie: Es werden keine persönlichen Daten erhoben oder gespeicher. Das Experiment läuft ausschließlich im Browser Ihres Computers.
Future Tense: AI From the Margins // Nakeema Stefflbauer & Nushin Yazdani*
Nakeema Stefflbauer und Nushin Yazdani verhandeln in ihrem Desktop-Film „Future Tense: AI from the Margins“ Fragen von „Normen“ und „Normierungen“ unter den Vorzeichen künstlicher Intelligenz und ihrer alltäglichen Anwendungen. Sie betrachten KI aus intersektionaler Perspektive „von den Rändern her“ und erforschen eine digitale Welt, in der sie sich nicht nur nicht wiederfinden, sondern die ohne Menschen wie sie entworfen wurde und die sich zunehmend mit Tools füllt, die gegen sie agieren. Das auf YouTube zugängliche Video ist im Rahmen des Festivals dgtl fmnsm HOT MESS *virus version* vom 20-27.03.2020 entstanden und ist eine Auftragsarbeit des HAU Hebbel am Ufer.
First Person Soother
Entwerfen Sie sich als niedlichen und/oder abstoßenden Avatar und betreten Sie eine kleine Galerie, in der Sie in sechs Spielen mit der first person-Perspektive experimentieren können. Alle Angebote lassen sich in wenigen Minuten spielen – von einem Stop Motion-Tagebuch bis zum Experimentieren mit abstrakten Soundscapes.
http://likelike3d.herokuapp.com
Das digitale Insektarium // Artificial Remnants 2.1*
In ihrem Projekt “Artificial Remnants 2.1” fragen Sofia Crespo und Feilaecan McCormick nach digitalen Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit der Vielfalt der natürlichen Welt. Unter Einsatz von Deep Learning werden fiktionale Insekten sowie deren Namen und anatomischen Beschreibungen aus von den Künstler:innen erstellten Datasets generiert. Das Projekt zielt damit weniger auf eine präzise und darin oft sterile digitale Reproduktion und Klassifikation von Insekten. Vielmehr setzt es auf ein freudiges Spiel und eine Art des ‚digitalen Exzesses‘ und exponiert auf diese Weise die natürliche Vielfalt der Insektenwelt über den Umweg ihrer digital nativen Entwürfe. Realisiert wird eine suchende Bewegung, die nach einem möglichen nicht-menschlichem Verständnis des Natürlichen fragt.
https://artificialremnants.com
* Wir danken Kristin Klein für die wertvollen Hinweise und spannenden Vorschläge aus dem Bereich der (post-)digitalen Kunst!